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aktualisiert am: 10.10.2018

 
 


 

DIE GESCHICHTE DER STEYR-PUCH AUTOMOBILE (1957-1975):

Im Jahre 1954 wurde beschlossen, in Graz-Thondorf – nach dem 2.Weltkrieg – wieder eine eigene österreichische PKW-Produktion, und zwar die eines Kleinwagens, anlaufen zu lassen. Die enormen Kosten einer kompletten Neukonstruktion bzw. der Produktion einer eigenen Karosserie drohten das Projekt scheitern zu lassen! Aufgrund eines Assembling-Vertrags mit Fiat konnte man sich die Produktion einer eigenen Karosserie jedoch sparen, es genügte die Rohkarosserie des Fiat 500 anzukaufen und zu adaptieren: Die wesentlichen Karosserieteile wurden also bei Fiat gekauft und dann in Graz endmontiert. Lediglich der Motordeckel sowie in späteren Jahren das feste Dach wurden in Eigenproduktion hergestellt.
Deswegen lautet die offizielle Bezeichnung der hier vorgestellten, österreichischen Kleinwagen auch „Steyr-Puch 500, Modell Fiat“.

Prinoth Steyr-Puch

Obwohl äußerlich sehr ähnlich und für Laien bis heute oft nur schwer auseinanderzuhalten, waren die Unterschiede vor allem technischer Art zwischen dem italienischen Fiat und dem österreichischen Steyr-Puch enorm:
Im Gegensatz zum luftgekühlten Twin-Motor des Fiat wurde der Puch von einem luftgekühlten 2-Zylinder Boxermotor mit 493ccm angetrieben. Auch die Getriebe-Fahrgestelleinheit wurde komplett in Graz hergestellt, und wies zum Teil grundsätzlich andere Konstruktionsansätze auf. Schon alleine um diese Eigenkonstruktionen auch einbauen zu können, musste man etliche Details der Karosserie umbauen bzw. neu konstruieren und selbst fertigen. Außerdem war man in Graz von Beginn an bestrebt gewesen, ein robustes, alltagstaugliches und vor allem komplettes Fahrzeug für eine ganze Familie zu bauen.
Also sollte der Steyr-Puch 500 ein vollwertiger PKW für 4 Personen sein, während der Fiat stets nur als 2+2-Sitzer konzipiert war. Der Fiat 500 hatte mit dem Fiat 600 ja Konkurrenz aus dem eigenen Haus, und sollte diesem in keinem Fall den Markt abgraben! Die österreichische Konkurrenz hingegen hatte lediglich ein einziges Modell am Start, welches im Unterschied dazu eine möglichst breite Käuferschicht ansprechen sollte...
Relativ bald wurden die wendigen und agilen Kleinwagen auch für erfolgreiche Einsätze bei diversen Motorsportveranstaltungen entdeckt. Einen Einblick in die Steyr-Puch-Rallyegeschichte findet man hier (zum historischen Rennsport).
Während der Produktionsjahre 1957 bis 1975 wurden unterschiedliche Modelle erzeugt und ausgeliefert. Eine Konstante blieb dabei aber der Boxermotor, welcher über die Jahre bis auf geringfügige Adaptionen praktisch unverändert geblieben ist. Eine Übersicht aller verkauften Modelle sowie diverse Statistiken findet man hier (zur Statistik / Verkaufstabellen).

Der Steyr-Puch 500:

Ende 1957 wurden die ersten Steyr-Puch 500 zum Verkauf angeboten, standardmäßig als Cabriolet mit langem Faltdach und hinten angeschlagenen Türen ("Selbstmördertüren"). Bemerkenswert ist, dass diese Modelle noch keine Kurbelfenster aufwiesen, lediglich das vordere Dreiecksfenster ließ sich aufschwenken! Auch die restliche Ausstattung war eher spartanisch.
Charakteristisch für diese heute sehr seltenen Modelle waren u.a. das rechteckige Frontemblem sowie die Lüftungsschlitze unter den (haubenlosen) Scheinwerfern sowie die größeren Blinkleuchten am vorderen Kotflügel.
Um das Auto für 4 Personen typisieren zu können, wurde die Rückbank tiefer als beim Fiat eingebaut. Möglich wurde dies unter anderem durch die Verwendung des platzsparenderen Boxer-Motors. Dieser leistete 16PS, und blieb über den gesamten Produktionszyklus bis 1975 hinweg die Ausgangsbasis für alle anderen Motorvarianten der gesamten Steyr-Puch PKW Produktpalette!


Steyr-Puch 500, Bj. 1957
(zur Statistik / Verkaufstabellen)

Der Steyr-Puch 500 D und Steyr-Puch 500 DL:

1959 erfolgte die erste Überarbeitung, und um die Modelle künftig unterscheiden zu können, wurden Buchstaben-Kürzel eingeführt. Das Modell Steyr Puch 500D erhielt ein festes Dach (das „D“ steht für „Dach“!) mit dem markanten Heckbürzel wegen der besseren Kopffreiheit für die Fondpassagiere. Denn wie bereits erwähnt: Im Unterschied zum Fiat 500 sollten beim Puch auch auf der Rückbank zwei Erwachsene Personen Platz finden! Außerdem erhielten die Autos ab sofort (endlich) auch die angesprochenen Kurbelfenster... Auf Wunsch war aber auch weiterhin eine Cabrioversion lieferbar, bzw. ein relativ einfach anzuwendender Umbausatz.
Schlussendlich erhielt das neue Modell noch ein neues Frontemblem, ein Handschuhfach sowie eine verbesserte Heizung. Eine neue Motorvariante mit 19,8 statt bisher 16 PS begründete ein neues Modell: Den 500DL ("Dach-Luxus").

Steyr-Puch 500 Rechtslenker
Steyr-Puch 500DL
(zur Statistik / Verkaufstabellen)

Der Steyr-Puch 700 C und Steyr-Puch 700 E:

1961 führte man eine neue Karosserievariante, nämlich den 700C („Combi“) bzw. 700E („Economy“, mit einem schwächeren Motor und kürzerer Getriebeübersetzung) mit Heckklappe und Ladefläche ein. Der 700C leistete 25PS, der 700E nur 19,8PS mit je 650ccm.
Auch dieses Modell ist mit Fiat bauverwandt, das dortige Modell ist als "Giardiniera" landläufig bekannt und wurde in Kooperation mit Autobianci über viele Jahre hinweg erfolgreich gebaut.
In Österreich wurden diese Fahrzeuge vorwiegend als Einsatz- und Firmenfahrzeuge verwendet und leisteten dort brave Dienste. Die im Vergleich zu den 500er-Modellen starke Beanspruchung der Fahrzeuge führte jedoch zu einem stärkeren Verschleiß, sodass heute nur noch wenige 700er-Modelle erhalten geblieben sind.


Steyr-Puch 700C
(zur Statistik / Verkaufstabellen)

Der Steyr-Puch 650 T:

1962 wurde der eine neue Motorversion für die Limousine geschaffen, statt 493 hatte er nun ebenfalls 650ccm bei einer Motorleistung von 19,8PS,die neue Modellbezeichnung lautete 650T („Thondorf“). Dieses Modell ersetzte somit den 500DL, dessen Serie damit vom Markt genommen wurde.

Steyr-Puch Adria TS
Steyr-Puch 650T
(zur Statistik / Verkaufstabellen)

Der Steyr-Puch 650 TR:

Bald wurde auch das noch stärkere Modell 650TR (das „R“ steht für „Rallye“) präsentiert, welches anfangs jedoch für Behörden wie Polizei und Gendarmerie als Einsatzfahrzeuge bestimmt war. Erst 1964 lieferte man die 650TR serienmäßig aus, die Nachfrage nach den 27PS und 660ccm starken Fahrzeugen mit Doppelvergaser war entsprechend groß.

Steyr-Puch 500
Steyr-Puch 650TR
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Karosserie und Ausstattung blieben allerdings bei beiden Typen 650T sowie 650TR unverändert zum 500D/DL, obwohl dennoch natürlich etliche Kleinteile ausgetauscht werden mussten.

1965 erreichte man den Leistungsgipfel mit der Modellvariante 650TR II: Dies ist eine spezielle Motorsportversion mit 42PS bei 6000 U/min, einer „scharfen“ Nockenwelle und Auspuffanlage und etlichen Modifikationen. Dennoch blieb der Ur-Motor vom 500er des Jahres 1957 die Basis, was äußerst bemerkenswert ist.

1966 gelang dem Polen Sobieslaw Zasada auf einem 650TR sogar der Europameistertitel für Tourenwagen der Gruppe II, aller Klassen!


Sobieslaw Zasada im Renneinsatz mit seinem Steyr-Puch 650TR II
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Darüber hinaus wurden die kleinen Steyr-Puch-PKW speziell von Anfängern und Einsteigern gerne als günstige aber konkurrenzfähige Renn- und Rallyefahrzeuge verwendet. Unzählige Erfolge bei nationalen und internationalen Bewerben stehen hier zu Buche, speziell bei Slalom- und Bergrennen, aber auch bei Rallyies und Eisrennen galten die wendigen, robusten und drehzahlstarken Autos aus Graz als beinahe unschlagbar! Einen Einblick in die Steyr-Puch-Rallyegeschichte findet man hier (zum historischen Rennsport).

Der Steyr-Puch "Europa", z.B. Steyr-Puch 500 neu:

1967 wurde die bei Fiat in Turin bereits 1965 modifizierte Karosserie des Fiat 500 (nach der Aufarbeitung aller Lagerbestände, Anm.!) schließlich auch in Graz übernommen. Wie bisher, wurden die Karosserieteile auch jetzt von Fiat angekauft und in Graz endmontiert. Wesentlichstes Merkmal dabei waren die jetzt vorne angeschlagenen Türen. Unbestreitbar ein wesentlicher Sicherheits- und Stabilitätsfortschritt!
Ab sofort wurde also auch das Dach vom Fiat übernommen, das charakteristische "Bürzel" fiel weg. Alle Modelle hatten nur mehr ein kurzes Faltdach. Die Produktbezeichnung erhielt den Zusatz „Europa“.

Puch IMP
Steyr-Puch Karosserie "Europa"
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Der Steyr-Puch 500 S:

1969 entschloss man sich, wegen der sinkenden Nachfrage nicht nur die Karosserie, sondern auch die komplette Antriebseinheit vom Fiat 500 zu übernehmen, lediglich der Motor wurde noch in Graz gefertigt und eingebaut. In Kombination mit dem 19,8PS-Motor hieß das Modell nun 500S („Sport“).

Steyr-Puch 700C
Steyr-Puch 500S
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Der Steyr-Fiat 126 Puch:

1974 übernahm man in Graz schließlich die Karosserie vom Nachfolgermodell des Fiat 500, jene des Fiat 126. Auch hier beschränkte man sich im Wesentlichen auf den Einbau des Puch-Motors in das fast fertige Fahrzeug, das Auto war also wiederum "nur" ein Fiat mit Puch-Motor. Bereits 1975 stellte man allerdings die Produktion endgültig ein, die letzten Fahrzeuge wurden 1976 verkauft. Die Ära der Steyr-Puch Kleinwagen war aufgrund der viel zu geringen Nachfrage sowie des verhältnismäßig hohen Preises endgültig vorbei.


Steyr-Fiat 126 Puch
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Sonderkarosserien:

Neben den PKW-Serien-Modellen wurden auch einige Prototypen sowie Fahrzeuge mit Sonderkarosserien produziert:


Puch IMP 700 GT mit Alukarosserie


Adria TS mit Steyr-Puch Motor



Puch Spyder mit 4-Zylinder Boxermotor (Prototyp, 1959/1960)


Prinoth Formelwagen mit Steyr-Puch Motor

SowieslawZasada
Rechtslenker-Version für den Export!

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Annlässlich des 60-Jahre Jubiläums in 2017 hat Hans-Georg Trölztch einen kleinen Bericht verfasst. Zu lesen ist er unter dem folgenden Link...